Lieber Daniel,
Es hat zwar eine Weile gedauert, bis „Der Überfall in der Türkenstraße“ bei unserem Buchhändler angekommen war, aber das Warten hat sich gelohnt. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen. Dieses Kompliment will ich auch begründen, aus ganz subjektiver Perspektive eines Viel- und Gernelesers:
Die Erzählung hat Humor (die Zeugenbefragung durch die Polizisten nach dem Überfall in der Bankfiliale könnte ähnlich auch bei Karl Valentin vorkommen!), Spannung (Du greifst routiniert, wenn auch mit einer leicht ironischen Distanz, in die Werkzeugkiste der Krimi-Autoren), und Herz (immerhin finden sich am Ende Zwei, nachdem Er sich von seiner Continental, Sie sich von ihrem Vater befreit hat).
Der Polizist Rudi bringt es auf Seite 122 auf den Punkt: „Ein Wachmann, der keiner ist, droht mit einer Pistole, die keine ist und erbeutet eine Geldkassette in der kein Geld ist…“. Man könnte die Reihe fortsetzen: Räuber, die nichts rauben, Studenten, die nicht studieren, ein Sparkassendirektor, der nicht seine Untergebenen knechtet (sondern ihnen Mohnsemmeln kauft), und am Ende ein Krimi, der nicht mit einer Verhaftung, sondern – ich kann dem Wortspiel nicht widerstehen – mit einer Verlobung endet.
Der Reiz dieser ganzen verkehrten Welt liegt darin, dass sie der richtigen den Spiegel vorhält – und das seitenverkehrte Bild ist definitiv erfreulicher als das Original. Als Leser würde man gerne noch ein Weilchen in diesem Bild bleiben: Dem Liebespaar noch ein wenig zuschauen, die Verschrottung von Taxi und Schreibmaschine beobachten, erleben, wie der Sparkassendirektor nach der Bäckerei noch die kommunistische Buchhandlung besucht. Aber das zeichnet ein gutes Buch ja aus: Der Leser kann und muss die Geschichte selber fortspinnen.
Mit herzlichen Grüßen aus Bonn
Helmut Blumbach